Sonntag, 7. August 2011

Streifzüge: Missenwahl zwischen knatternden Traktoren, zünftigen Gerede und lärmenden Kettensägen.


Ulrichsberg im Böhmerwald: Während die etwas zu laut eingestellten Mikrofone die obligaten Lobeshymmnen auf die heimische Landwirtschaft, vorgetragen durch die lokale Politiprominenz, durch das Bierzelt schmettern, werden am anderen Ende der Böhmerwaldmesse die Damen für ihren wichtigsten Moment hergerichtet. Nein. Die Visagisten brauchen weder Lippenstift, Puder, Haarspray oder Mascara, um den Ausdruck dieser Schönheiten zu unterstreichen. Bürste, Wasserschlauch und Feile reichen Frau M., die in diesem Augenblick die Resi vorbereitet. Resi gehört nicht zu den It-Girls, sondern wird vom gmeinen Österreicher in die Kategorie Fleckvieh eingeteilt. Ihre Kennzeichen: drei Jahre alt, 550 Kilo schwer, braun mit weißen Flecken und Rieseneuter. Bis zu 6000 Liter Milch kann aus Resi im Jahr herausgeholt werden. Resi ist ein Glücksrind, sozusagen auf die Butterseite des Lebens gefallen: Schon als kleines Kalb aus den finsteren Ecken vom Kuhstall eines ungarischen Zuchtbauern hervorgeholt, per Tiertransport über die Grenze geholt und im Rindergroßmarkt an einen hiesigen Zuchtbauern verkauft. Ihre Liebhaber, von denen sie sie schon zwei Kinder geschenkt bekommen hat, kommen aus dem Katalog. Zuchtstier Ferdi aus dem Bezirk Freistadt und Herbert, ein wilder Rammel-Bulle aus dem Gusental hatten schon intimen Kontakt mit Resi, die in diesem Moment die letzten Reste Stalldreck von Bäuerin M. heruntergekletzelt bekommt.

Die Menge hat sich schon eingefunden. Gutachter Hannes Sch., Schönheitsexperte und einziges Jurymitglied steht im Ring und erklärt den etwa 40 Zusehern die Regeln, wie Zuchtrinder klassifiziert, begutachtet und schlussendlich bewertet werden. Dahinter tummeln sich junge Männer in Lederhose und einheitlichem T-Shirt, deren Aufdruck dem ahnungslosen Zuseher irgendetwas über Rinderzuchtverband lesen lässt. Dann ist es soweit: Das Gatter geht auf und Resi kommt, in Begleitung ihres "Herrchens" Landwirt Hubert M. in den Ring. Hinter ihr trotten ihre Konkurrentinnen, die schöne Elma aus dem oberen Mühlviertel, Gerti aus einem Stall in der Nähe von Rohrbach und Zenzi aus dem Donautal zur Begutachtung. Bewerter Sch. ist konzentriert. Mit Argusaugen betrachtet er die Schenkel der Rinder, hebt den Schwanz und wirft einen prüfenden Blick auf das After der Kühe. Die führenden Bauern marschieren in der Runde. Die Kühe an der Leine und blicken mit einer Portion Demut auf Chefbegutachter Sch., der von Minute zu Minute strenger schaut. Aus den Lautsprechern tönt ein Kommentator, der Daten und Fakten über die Fleckviehhaltung im Bezirk Rohrbach freigibt. Zwischen seinen Sätzen spielt der Tonmeister das Lied Conquest of Paradise von Vangelis ein.

Dramatik liegt in der Luft. Ein etwa zehnjähriger Bub mit kurzer Karo-Hose und Stehfrisur schreit plötzlich auf. Eine Wespe hat sich zwischen Hosenbund und T-Shirt verkrochen und in ihrer Panik zugestochen. Ein Mann mit Lederhose und Fleischhaube (Haarkranz Anm.) zieht an seiner Zigarette und schaut auf die Uhr. "Mitzi, is eh scho Mittagszeit, gemma jetzt auf a Hendl", ruft er quer über die Zuseher zu seiner Frau, die am anderen Ende steht und die geflechteten Körbe der regionalen Integrationswerkstatt begutachtet. "Wart nu Hansi, do hint muars i nu den Korb anschaun, vielleicht gfallt ma der bessa", ihre Rückantwort, die in einem Raunen der 40 Zuseher verschwindet. Die Jury, in Person von Hannes Sch., hat einen Sieger gekürt: Gerti die Schönheit aus Rohrbach hat das Rennen gemacht. Topfavoritin Resi gab ihren Vorsprung fahrlässig ab: Als Sch. das Hinterteil der Kuh-Lady prüfte und den Schwanz hob um seinen Blick darauf zu werfen, passierte das, was der geeichte Festlbesucher als Kuhfladenlotto kennt...

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