Donnerstag, 13. Juni 2013

Isst du Schwein darfst du rein - Eine kleine Nabelschau der Rechtspopulisten in Europa

Anwalt der Anständigen, Retter des Abendlandes oder die einzig wahren Verteidiger westlicher Werte in einer zunehmend verrohenden Gesellschaft - Jene Titel, die sich rechtspopulistische Parteien selber zuschreiben oder von Gegnern umgehangen bekommen, ähneln sich nicht nur augenscheinlich. Tatsächlich gilt diese Spielart demokratischer Politik (derzeit) als einziges größeres Novum der heimischen Politlandschaft. hunderl.at war zu Besuch bei den rechten Ideologen Europas.

Solo por ti, Nur für dich - der Smash-Hit von Peter Kent & Luisa Fernandez klang aus den sehr sonor klingenen Boxen vom Autoradio meines Vaters, der mich - einen gerade mal schulpflichtigen Buben -  von einem sonntäglichen Fußballspiel mit anschließender Grillerei abholte. Währenddessen wurde in Innsbruck Geschichte geschrieben: Jörg Haider, ein burschikos wirkender Berufspolitiker - damals noch mit Vokuhila-Ansatz und kleinen Augen - nimmt im Steireranzug ein Bad in der Menge. In einer hitzigen Sitzung wird der Mann zum Chef der damals noch unscheinbaren FPÖ gemacht. Er nimmt das Ruder in die Hand und macht die damalige Kleinpartei - entstanden aus Personen, die wegen ihrer braunen Vergangenheit bei SPÖ und ÖVP keinen Platz fanden  - in nicht einmal 15 Jahren zur zweitstärksten Kraft der Nation und bringt diese 1999 sogar in die Regierung. Ein einzigartiger Siegeszug und ein perfektes Beispiel für den Aufstieg des Rechtspopulismus in unseren Breitengraden. Tatsächlich wird Jörg Haider von vielen Historikern als Begründer dieses politischen Spektrums gesehen. Fast gleichzeitig traten aber in fast allen Staaten Europas ähnliche Erscheinungen auf. Namen wie Philip de Winter (Belgien), Umerto Bossi (Italien) oder Jean Marie Le Pen (Frankreich) waren bald in aller Munde und bei politischen Gegnern, Teilen der Intellektuellen, Künstler usw. bald als neuer Gottseibeiuns bekannt. Auch die Satirewelt durfte jubeln: Lieferten diese politischen Agiteure, die sich später dann quer durch den Kontinent in allen Parlamenten wieder fanden doch immer wieder neues Futter. 


Die ersten aktiven Rechtspopulisten - sozusagen die Gründerväter einer Bewegung

Jörg Haider, Österreich

Jean Marie Le Pen, Frankreich

Umerto Bossi, Italien



















Was aber macht diese Bewegung so beliebt?

Für viele Wähler gelten rechtspopulistische Parteien als Sprachrohr des "kleinen Mannes": Sie schimpfen gerne gegen Minderheiten und ihre Privilegien, zeigen per se kein Verständnis für Entscheidungen aus dem EU-Parlament (obwohl sie selbst fünf Mandate besetzen und dafür rund 360.455 Euro an Zuschüssen pro Jahr beziehen*) und bedienen sich dabei der Denkweise und Rhetorik, die hunderl.at bereits für den Populismus ausgemacht hat. Als Zusatz werden gesellschaftspolitisch rechte Positionen mit leicht verständlicher Freund/Feind-Unterscheidungsalgoryhtmik und teilweise wirtschaftspolitisch liberalste Haltungen eingenommen, die dem Staat als Unternehmer Unfähigkeit einräumen. Da aber die Partei nicht unbedingt die wirtschaftlichen Eliten als Wähler anzieht, muss hier auch eine ordentliche Portion Globalisierungskritik dazu. Das Ergebnis darf mit dem Wort Wohlstandschauvinismus bezeichnet werden. Neu hinzugekommen ist die - seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 - nachvollziehbar gewordene Islamkritik, die sich querbeet durch die Parteienlandschaft der europäischen Rechtspopulisten durchzieht.

* Ihnen deswegen ihre Mitgliedschaft im Europaparlament vorzuwerfen, wäre hunderl.at aber zu perfide. Denn: Es ist auch demokratisch legitim ausnahmslos gegen jeden und alles zu sein und kann durchaus dem Wunsch der Wähler entsprechen.


Wer sind die Wähler, was sind ihre Motive?
Da führende Politiwissenschaftler den Rechtspopulismus nicht als eigene Ideologie, sondern als Mix aus Nationalismus, Sozialdemokratie und Neoliberalismus bezeichnet, ist es nicht verwunderlich, dass der Kult um Haider, Strache, Le Pen und Konsorten Leute aus allen gesellschaftspolitischen Schichten anzieht. So finden sich im Wählerpool sowohl dezitierte rechte Recken mit geschichtlichen Erinnerungslücken, Globalisierungsverlierer, von der Politik frustrierte Wahlberechtigte, Bürgerliche, Selbständige, Arbeiter, Städer, Landbewohner, "Inländerfreunde" und sogar Angehörige von Minderheiten oder eben anders ausgedrückt: Menschen wie du und ich.

Welcher Menschenschlag ist dort Funktionär?
Abgesehen davon, dass die europäischen  Rechtspopulisten wegen ihres schnellen Wachsens zunehmend mit einem Rekrutierungsproblem kämpfen und es teilweise immer wieder durch ungustiöse Äußerungen, Polemiken und Aktionen fragwürgdiger Polit-Desperados auf Gemeinde- oder Stadtebene in die Medien schaffen, sind es beispielsweise in Österreich vor allem Akademiker mit einem Hang zum Schwertkampf, die ihre Karriere bei der FPÖ machen - zumeist als Berufspolitiker oder Jurist.
Im Nachbarland Schweiz hat mit Christoph Blocher ein erfolgreicher Unternehmer und Millionär das Zepter in der Hand. In Italien regiert mit Silvio Berlusconi, ein ehemaliger Immobilienmakler, Schlagersänger und Fernsehsenderbesitzer mit Milliardenvermögen über die Popolo della Liberta - dem Pool rechter Parteien, wo neben klassischen rechten Parteien, Rechtspopulisten auch neofaschistische Bewegungen Unterschlupf finden.
Studierte Politikwissenschaftler sind sowohl Timo Soini, Chef der wahren Finnen als auch Jimmie Akesson, der an der Spitze der Schwedendemokraten steht. Bemerkung zu den wahren Finnen: Neben den üblichen Parteiprogramm-Punkten wie Islam, Einwanderung, Asyl und Co. lehnen sie auch Sex vor der Ehe ab. Einige der wenigen Frauen in den Reihen der Rechtspopulisten-Chefs ist Marine Le Pen, die in Vaters Fußstapfen stieg und den Front National in Frankreich übernahm.

Sie ist bekannt, den Rechtspopulismus aus dem Schmuddeleck zu holen und dieser politischen Bewegung einen modernen Anstrich zu geben. Wie dieser Versuch funktioniert, nationalistisches, reaktionäres, minderheitenfreindliches, islamfeindliches, law-and-order affines und globalisierungskritisches Gedankengut tauglich und chic für die Smartphonegesellschaft zu machen, sei dahingestellt. Fest aber steht: Die mit ähnlichen "Wahlversprechen" hantierende FPÖ ist in der Alpenrepublik die klare Nummer Eins bei den Jungwählern unter 30 Jahren. (Stand 31. Jänner 2013)


Anwalt der Anständigen?
Schon der Gründervater und Säulenheilige Jörg Haider strich sich und seine Partei gerne als Anwalt der Anständigen hervor. Nein, sagte er immer wieder, die FPÖ sei keine politische Partei im eigentlichen Sinne, sondern vor allem eine Bürgerbewegung, deren Ziel es ist, die Anliegen der Leute endlich in die abgehobene Welt der Parlamente zu bringen. Diese Strategie zog und tatsächlich war die FPÖ 1999 an ihrem Ziel, endlich in der Regierung sitzen zu dürfen. Den Sonntagsreden von einer unkorrumpierbaren, anständigen und konsequenten Bewegung, die einer alteingesessenen Politikerkaste die Privilegien abdrehen will, folgte Ernüchterung: Eurofighter, Behördenfunk, Bundeswohngesellschaften, Telekom Austria, Hypo Alpe-Adria, Kärnten. Karl-Heinz Grasser, Herbert Scheibner, Hubert Gorbach, Ernst Strasser, Alfons Mensdorff-Pouilly, Hans-Peter Martin, Uwe Scheuch, Dietrich Birnbacher,  Peter Hochegger, Walter Meischberger und Gerhard Dörfler sind nur ein paar Namen auf einer langen Liste, die in Österreichs Medienlandschaft genannt werden, wenn es um Korruptionsfälle der vergangenen 13 Jahre geht. Graf Ali and the Corruptionists, eine skurrile Rock-Combo aus dem hunderl.at-Dunstkreis, dichtete sogar einen Song. Was folgte waren Riesenverluste bei den Regionalwahlen im Bundesland Kärnten, wo die FPK (Partnerpartei der FPÖ und mittlerweile wieder fixer Bestandteil dieser Partei) dramatsch verlor und den langjährig gepachteten Landeshauptmann-Sessel räumen musste.




Fazit
Wie immer liegt in der Kürze die Würze. Nachhaltige Regierungen mit der Beteiligung von Rechtspopulisten lassen noch immer auf sich warten.

Nächstes Mal: Birkenstock, Jutesack und Hanftüte - Die Grünen und der Ökokult